Der erwiderte Blick. Subjekte in der Performance Kunst, 03.12.2012, 19:30

Charim Galerie, Dorotheergasse 12/1, 1010 Wien

Die Sektion Aesthetik der „Neue Wiener Gruppe/Lacan-Schule“ lädt Sie herzlich zum Vortrag von Noah Holtwiesche „Der erwiderte Blick. Subjekte in der Performance Kunst” ein.

Chris Burden


Sie wurde Kunst des Augenblicks genannt oder auch “Art of radical juxtaposition” (Susan Sontag) – was die Performance Kunst jedoch seit ihren Anfängen in der Nachkriegszeit stets besonders auszeichnete, war die Exponierung des Subjekts und der intersubjektiven Beziehungen zwischen Zuseher und Künstler. Dabei ist eine paradoxe Spannung zwischen der Exponierung des Subjekts und seiner Undurchschaubarkeit zu beobachten. Je mehr das künstlerische Subjekt sich in der Performance den Blicken preisgibt, umso weniger wird es von der Seite der Zuseher erfassbar, gerinnt es letztlich zum rätselhaften Buchstaben im Sinne Lacans. Ich möchte diese Dynamik der Subjektskonstitution in der Performance Kunst zunächst anhand einiger Beispiele skizzieren, um sie dann mit Bezug auch auf die Minimal Art und den epochemachenden Aufsatz von Michael Fried, “Kunst und Objekthaftigkeit” zu schärfen und tiefergehend zu diskutieren.

die monstranz des subjekts. verhüllung als ‘obszöner’ akt

Der folgende Text ist die Kurzfassung eines Textes, der in Skug 90 (2012), S. 42-43 erschien.

Die Underground Opera »Monsterfrau« und »THIS IS NOT A BURKA! Just clothes« von Lena Wicke-Aengenheyster.

Bei aller Entblößtheit, bei all dem, was aktuell als »Pornographisierung der Gesellschaft« oder »Medikalisierung der Schönheit« diskutiert wird, bei all den Versuchen von Frauen, sich und ihren Körper bedingungslos dem Regime der Sichtbarkeit zu unterwerfen, drängt sich der Eindruck auf, dass Nacktheit nie so kleidsam war wie heute. Die Nackten sind nicht mehr nackt, sie sind vielmehr in ihre Nacktheit gekleidet. Continue reading

rahmen und präsenzwirkungen – überlegungen anhand der minimal art

Der folgende Text ist erschienen in:
Sagen wir wie. Der theaterpädagogische Salon. Hrsg. v. Theater an der Parkaue. Junges Staatstheater Berlin 2012, S. 9-11

Präsenz ist im Bereich von Theater und Performance, trotz der vielfachen Versuche, sie von Seiten der Theorie für falsch, illusorisch und ideologisch zu erklären, eine Erfahrungswirklichkeit von Zuschauern und Produzenten geblieben, zumindest ein Objekt des Begehrens für viele von ihnen. Präsenz ist aber nicht nur in Theater und Performance von ästhetischer Relevanz – im Folgenden werde ich daher die kunstkritische Diskussion der Minimal Art heranziehen, um der Frage nachzugehen, wie die Erfahrung der Präsenz sich in Bezug auf mentale Rahmenkonstruktionen hinterfragen läßt.

Richard Wollheim hatte 1965 von Künstlern wie Sol LeWitt, Tony Smith, Donald Judd, Robert Morris u.a. den Namen Minimal Art gegeben und sie definiert als “a class of objects that … have a minimal art-content: … they are to an extreme degree undifferentiated in themselves and possess therefore very low content of any kind”. Der minimale Kunstgehalt Continue reading

enjoy your job! – zu leistungsprinzip und genießen im kapitalismus. late nite lacan, iwk, 03.10.11, 20:00

surplus pleasure marcuse

Zur kapitalistischen Arbeitswelt heute gehört, daß Arbeit nicht mehr Mühsal und Entfremdung sein, sie nicht der “Not des Lebens” gehorchen soll, von der Freud noch sprach. Statt dessen soll das Erbringen von Leistungen, die Unterwerfung unter das Leistungsprinzip dem Subjekt ein Genuß sein, Freude und Glück bringen.

Diesen Imperartiv zum Genießen von Leistung und Arbeit möchte ich anhand dreier Theorien schärfer konturieren und diskutieren: (1) anhand der Gesellschaftskritik Herbert Marcuses, dem vergessenen Stichwortgeber der sexuellen Befreiung; (2) anhand des Konzepts des “Flow” als leistungssteigernde, “optimale Erfahrung”, wie es der Psychologe Mihaly Csikczentmihalyi entwickelt hat; und (3) anhand von Lacans Theorie des Subjekts, insbesondere seiner Gegenüberstellung von Genießen und Begehren.
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was ist ein rahmen? theaterpädagogischer salon, 02.07.11, 9:30 im theater an der parkaue, berlin

mit Vorträgen und Workshops von Dorothea Hilliger und Robin Arthur, Noah Holtwiesche, Christoph Scheurle,
Annette Krauss, Martin Nachbar.

Teilnahmebeitrag: 10 Euro
Anmeldung bei: karola.marsch-at-parkaue.de

Ankündigungstext:
Was ist ein Rahmen?

Jeder kennt das Phänomen: Man fährt in einem Auto durch die Straßen einer Stadt und hört Musik. Alles, was einem dabei in den Blick fällt, verschmilzt augenblicklich zu einem Filmbild, das mit Musik unterlegt ist. Ob Autofenster, wuchtiger Goldrahmen, Bühnenportal oder Kinoleinwand: Ein Rahmen markiert einen Ausschnitt. Er lenkt die Aufmerksamkeit, lässt den Betrachter Bezüge und Bedeutungen herstellen. Die zeitgenössische Theaterpraxis re- und dekontextualisiert auf ihren Bühnen und außerhalb der Theatermauern: Sie löst Orte, Texte, Songs, Diskurse, Moden, soziale Praktiken und vieles mehr aus dem gewohnten Bedeutungsrahmen und lädt den Zuschauer oder Besucher zum assoziativen Spiel. Wie lässt sich der Begriff ‘Rahmen’ gedanklich fassen? Was ergibt sich aus seiner Übertragung auf die künstlerische Arbeit mit Gruppen
unterschiedlichen Alters?

Im zweiten Theaterpädagogischen Salon geht es um die theoretische und praktische Beleuchtung dessen, was ein Rahmen – zumal ein guter – für künstlerische Vermittlungsprojekte ist. Er richtet sich an Künstler, Dramaturgen und Theaterpädagogen und versteht sich als offener Arbeitsprozess, der den Teilnehmern Anregungen für die weitere Auseinandersetzung und die eigene Praxis geben soll.

Programmablauf

09.30 Uhr Akkreditierung
10.00 Uhr Begrüßung
10.15 Uhr Input I von Dorothea Hilliger und Robin Arthur
11.00 Uhr Input II von Noah Holtwiesche
12.00 Uhr Input III von Christoph Scheurle
12.45 Uhr Mittagspause
13.45 Uhr Workshop I – IV
17.00 Uhr Eindrücke aus den Workshops
17.30 Uhr Abschlussplenum
19.00 Uhr Ende und Ausklang

Mein Vortrag:
Gerahmte Blicke: Wie viel Subjekt steckt in jedem Rahmen?

Rahmen schützen Bilder und heben sie von ihrer Umgebung ab. Doch was geschieht, wenn das Gerahmte aus diesem Schutz ausbricht, aus dem Rahmen fällt, nicht nur sich anschauen lässt, sondern dem Subjekt auf dem gleichen Feld begegnet, zurückschaut? Welche Rolle spielt dabei das Subjekt und dessen Blick? Ausgehend von Beispielen der Kunstgeschichte beleuchtet der Vortrag die subjektive und intersubjektive Dimension von Rahmungen und deren Öffnung im Prozess der Aufführung.

Mein Workshop:
Aufführungsränder – Rahmungen im Theater

Mit Rahmensetzungen, Rahmenverschiebungen und Neurahmungen bewältigen Menschen die Fülle der Eindrücke des täglichen Lebens. So ist auch das Theater voller Rahmen, die Szenen und Akte voneinander trennen, die Bühne vom Zuschauerraum, das Publikum von Akteuren, Aufführungen von Pausen. Diese Rahmen sind Ordnungsschemata und als solche nichts Reales. Sie finden vielmehr in unseren Köpfen statt. In diesem Workshop wird dem intersubjektiven Aspekt von Rahmungen anhand von szenischen Versuchsanordnungen nachgegangen. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Beziehung zwischen den Akteuren untereinander und zum Publikum: Wie lässt sich mittels Rahmenverschiebungen Aufmerksamkeit generieren und verändern? Und wie können wir sowohl in der Stückentwicklung als auch in der szenischen Ausgestaltung die Beziehung zum Publikum durch das Spiel mit Rahmungen gestalten?

Gesamtprogramm und Information zu den anderen Talks und Workshops findet sich auf der Homepage des Theaters an der Parkaue.

panik 2: performance als lecture – 08.06.2011, 20:00 im project space karlsplatz, kunsthalle wien

Eintritt frei

mit:
CHRISTIAN FALSNAES (A, DK)
RED PARK – Lars Schmid, Jörg Thums (A, D)
RANDOM PEOPLE – Esther Pilkington, Daniel Ladnar (GB, A)
SIBYLLE PETERS (D)

Gestaltung, Organisation und Moderation: Brigitte Wilfing, Noah Holtwiesche
Mitorganisation: Peter Kozek

PERFORMANCE ALS LECTURE bringt KünstlerInnen zusammen, die sich mit Lecture Performances auseinandersetzen. Dieses hybride Format erfreut sich in den letzten Jahren in Kunst und Wissenschaften großer Beliebtheit und zeichnet sich zugleich durch eine große Vielfalt aus. PAN Vienna möchte die unterschiedlichen performativen Strategien im Umgang mit Lecture Performances zeigen und ästhetische und theoretische Hintergründe diskutieren.

weitere Informationen zu den KünstlerInnen auf der Homepage von PAN
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panik1: performance als konzert – 03.03.2011, 20:00 im wuk

Vier künstlerische Positionen – Arbeitsexzerpte und Diskussion
03. März 2011, 20:00 Uhr, WUK Projektraum, Währinger Straße 59, 1090 Wien

Wie viel Performance steckt in einem Konzert? Und wie viel Konzert steckt in einer Performance? PAN Vienna bittet Performance-Künstler und Performance-Gruppen auf die Bühne, um sich diesen Fragen zu stellen. Performance als Konzert bringt vier verschiedene künstlerische Positionen zusammen, die die Musik, das Konzert und popkulturelle Aufführungsformen zum Gegenstand einer prozessualen und performativen Forschung machen und so die Beziehungen zwischen den Ausdrucksmitteln der Performance Kunst und denen des Konzerts ausloten.

Der Wiener Medienkünstler Jan Machacek, das Performance-Duo Eisenächer/Harder CLAIMS aus Berlin, die Musik-Performance-Combo Martin & The evil eyes of Nur (Wien, Hamburg) und die interdisziplinär arbeitende Künstlerin Barbara Naegelin aus Basel zeigen Performances, geben Einblicke in ihre Arbeitsweisen und stellen sich einer Diskussion mit dem Publikum. Begleitet wird die Veranstaltung von dem britischen Performance-Sachverständigen und Herausgeber der Live Art DVD, Christopher Hewitt. Durch den Abend führen die Wiener Performance-Künstler Noah Holtwiesche und Otmar Wagner.

Mehr zu den KünstlerInnen auf der Website von PAN und auf den Websites der KünstlerInnen selbst:
Jan Machacek
Joy Harder & Janine Eisenächer CLAIMS
Barbara Naegelin
Martin & The evil eyes of Nur
Christopher Hewitt

PAN – Performance Art Network Vienna ist ein Zusammenschluss von Wiener Performance-KünstlerInnen. Selbstorganisiert und basisdemokratisch ausgerichtet, schafft PAN Vienna Freiräume für eine intensive Auseinandersetzung mit aktuellen Tendenzen der Performance Art.

PANik 1: Performance als Konzert wird gefördert von der Kulturabteilung (MA 7) der Stadt Wien.
PAN dankt dem WUK Wien für die freundliche Unterstützung.

weltwirtschaft in einer stahlblechschachtel – kritik zu “container love”

In der Bremer Stauerei ist das romantische Globalisierungstück „Container Love“ zu sehen

von Tim Schomacker
BREMEN (Eig. Ber.) · Zack, wieder hunderttausend Arbeitslose weniger.

Timing ist manchmal nicht leicht, wenn man einigermaßen frei Theater machen will: Zwischen der Idee und der Produktion lagen bei „Container Love“ ziemlich genau die Zeit, die es dauert vom Peak einer Wirtschaftskrise bis zur scheinbaren Erholung. „Als wir das Stück zu entwickeln begannen“, erzählt Katrin Bretschneider, „standen überall Container leer herum. Jetzt, wo es herauskommt, herrscht Containerknappheit.“ Die normierte Stahlblechschachtel, zu der Bretschneider und ihre beiden spielenden und konzipierenden Kollegen Christoph Glaubacker und Noah Holtwiesche einen Abend lang Du sagen, ist ein veritabler Indikator: voll oder leer; statisch oder in Bewegung.

Auf einer dreistufigen Mischung aus Laufsteg und Banketttisch erzählt das Trio von der Verschiebung und Verschiffung von Waren rund um den Globus. Jene andere, nicht materielle Hälfte von Weltwirtschaft – Geld, Wissen, Dienstleistung – wird dabei selten be nannt. Was dem sanften, beinahe freundlichen Grundprinzip dieser Performance entspricht: Die Zuschauenden werden hier mit Fragen, Bildern und Informationen nicht gefüttert. Klappt’s, sind sie aktiv dabei.

Ein Beispiel: In der Mitte des mittleren Podestes leuchtet eine Lampe. Von diesem Nullpunkt ausgehend, in dem sich Längen- und Breitengrad schneiden, denkt sich „Container Love“ über alle sieben Weltmeere, hin zu diversen „Irgendwo“. Wo gerade wer am Bankautomat kein Geld bekommt, wo jemand melancholisch aus dem Zugfenster blickt, wo jemand im Akkord weiße Herrenhemden näht. „Wir haben mit der Bühne angefangen, die hier normalerweise steht“, sagt Holtwiesche, „dann haben wir gemerkt, dass da etwas nicht stimmt. Die Bühne impliziert ein anderswo und -wann.“ Darum ging es in den Raum, darum die Koordinate, die für Akteure und Zuschauer die selbe ist.

Holtwiesche ergänzt eine weitere Abweichung vom Frontaltheater: „Es gab frustrierende Momente, weil sich das Gefahrenpotenzial der Weltwirtschaft eben nicht in personale Konflikte auflösen lässt. Mit klassischem Theater ist das kaum zu bearbeiten.“ Wobei „Container Love“ auch nicht verhehlt, dass zwei Drittel des kleinen Ensembles mit Gießen aus jener Theaterschmiede kommen, die das Diskursive, das Nicht-Dramatische längst zur Parallelkonvention gemacht hat. Das sieht man hier am Videoeinsatz und der gezielt uneindeutigen Figurenkontur genauso wie an trendy Themen wie der Kartographie oder der Wandlung urbaner Räume.

[...]

Container Love ist noch bis Sonntag, jeweils um 20 Uhr, in der Stauerei, Cuxhavener Straße 7, in Bremen zu sehen.

Dieser Artikel erschien am 29.10.2010 in der Syker Kreiszeitung. Der gesamte Artikel läßt sich hier nachlesen.

Anläßlich der zweiten Staffel von “Container Love” waren Katrin Bretschneider auch Gast in der Sendung THE SILVER ROADSHOW #3 beim Kulturradio Schwankungen, moderiert von Andreas Schnell und ebenfals Tim Schomacker. Der Stream der Sendung läßt sich hier nachhören – mit interessanten Gästen wie Oliver Behnecke, u.a. Macher der Sommer-Republik und Torsten Bauer von Urbanscreen.